Freitag, 23. Dezember 2016

Sonntag, 11. Dezember 2016

Fischland-Engel - Eine kleine Advents-Geschichte



Stille lag über dem kleinen Wald hinter dem Fischländer Friedhof. Vorsichtig steckte Fritz seinen Kopf aus dem Loch im Erdreich. Jemand, der zufällig in seine Richtung schaute, würde kaum die Spitzen der verhornten Flosse sehen, die statt Haaren auf seinem Kopf wuchs. Das war auch besser so, denn die Flosse war giftig. Zumindest, wenn man ein Mensch war. Fritz war kein Mensch. Mehr. Was man auch an den dicken grünbläulich schimmernden Schuppen auf dem Rücken erkannte und an den Schwimmhäuten zwischen den Fingern.

Seine schwarzen Augen mit der silbrigen Iris konnten nichts Ungewöhnliches erkennen, dennoch war ihm mulmig zumute. Seine Schuppen zitterten, er ließ sich zurück in das Loch gleiten, ohne an Ernst zu denken, der direkt hinter ihm gehockt hatte.

„Au!“, protestierte Ernst. „Pass doch auf, wo du hintrittst.“

Fritz legte die Finger auf die Lippen, die, einem Fischmaul gleich, wulstig hervortraten. Sein alter Freund erstarrte, Ernst hatte genauso viel Angst wie er. Und er hasste ihren Zustand genauso wie er, ihren Zustand, den man mit einem Wort aus nur drei Buchstaben beschreiben konnte: T.O.T. Gut, sie waren irgendwie schon noch … da. Aber wie? Wenn er schon hatte sterben müssen, dann wäre er lieber mit Mann und Maus für alle Zeiten untergegangen, wie sich das für einen Seemann gehörte.

„Hast du ihn gesehen?“, wisperte Ernst jetzt so leise, dass Fritz ihn kaum hören konnte. „Isser da?“

„Noch nicht.“

„Noch nicht? Was soll das heißen?“

„Ich hab das ungute Gefühl, dass wir ihn nicht abhängen konnten.“

„Guck noch mal!“, forderte Ernst.

Fritz schluckte. Er war nicht wild darauf. Andererseits wollte er wissen, wie es stand. Vorsichtig steckte er wieder den Kopf aus dem Loch – und zog ihn blitzschnell zurück. „Da ist …“, fing er heiser an, bekam aber kein weiteres Wort raus. „Der …“ versuchte er es noch mal. „Der E…“.

„Der Engel?“, kreischte Ernst auf.

„Leise, verdammich!“ Fritz hatte seine Stimme wiedergefunden. „Willst du vielleicht, dass der uns hier unten aufspürt?“

Ernst zitterte am ganzen Leib. „Nee.“

„Dann holl dien Mul!“ Es war genau das eingetreten, was Fritz befürchtet hatte. Sie waren hinter ihnen her. Wo sich einer dieser verdammten Engel rumtrieb, war meist die ganze Sippe nicht fern. Der bloße Gedanke an das, was die mit Ernst und ihm anstellten, nachdem sie versucht hatten abzuhauen, statt glitzernden Weihnachtsschmuck aus Muscheln und Seeglas, nach denen sie hatten tauchen müssen … also, was die mit ihnen anstellen würden, das verursachte ihm mehr als nur eine Gänsehaut. Früher, als er noch lebte, hätte er jeden ausgelacht, der ihm mit so was wie Engeln gekommen wäre. Tja. So schnell konnte sich die Sicht auf die Dinge ändern. Wenn man nicht aufpasste, wenn man sich erwischen ließ, kurz: Wenn man sich mit dem Geist der Fischländer Weihnacht anlegte. Wenn man schließlich T.O.T. war.

In diesem Moment ertönte ein stetig lauter werdendes Geräusch. Fritz starrte nach oben. Das Geräusch schwoll an, es klang wie Flügelschlagen. Und dann, bevor er weggucken konnte, erschien über ihnen ein Gesicht, dessen Schönheit ihm fast den Atem raubte.

„Was haben wir denn da?“, erscholl eine überirdische, glockenhelle Stimme. „Zwei entflohene Weihnachtsverweigerer, wenn ich mich nicht irre!“ Dabei lächelte der Engel warmherzig und fuhr fort: „Ich würde vorschlagen, ihr kommt da rausgekrochen. Freiwillig am besten. Ich könnte natürlich auch nachhelfen.“

„Nein!“, rief Ernst entsetzt.

„Nicht nötig, danke, Gabriel“, entgegnete Fritz sarkastisch, obwohl ihm die Angst fast die Kehle zuschnürte.

„Aber mein lieber Junge, wir wollen doch nicht frech werden, bitte“, sagte der Engel und drohte mit einem kleinen knubbeligen Finger. „Was sollen denn die himmlischen Heerscharen von dir denken?“

„Scheiß auf die …“ Weiter kam Fritz nicht, da hatte er den kleinen knubbeligen Finger schon in seinem rechten Auge. Er schrie auf.

„Ich bat dich, nicht frech zu werden. Unartige Leute bekommen nichts zu Weihnachten und werden streng bestraft.“ Das Lächeln des Engels zog sich über beide rotbäckige Wangen. „Und nun, wenn ich bitten dürfte: Kommt heraus!“

Hinter Fritz fing Ernst an zu wimmern, aber es gab kein Entrinnen, sie beide fügten sich in ihr Schicksal und kletterten nach oben, wo Gabriel, Michael oder wie immer er heißen mochte umgeben von einem Lichtkranz auf sie wartete. In diesem Augenblick wünschte sich Fritz, er hätte sich Weihnachten nie verweigert, nie gegen verfluchte Tannenbäume und verdammte Kerzen, nie gegen den ganzen Zinnober von …

„Fritz, Fritz“, sagte der Engel fröhlich. „Musst du solche Wörter denken? Ist Weihnachten dir immer noch nicht heilig? Was kann ich nur tun, damit ihr eure Meinung ändert? Weihnachten ist doch das Fest der …“, wie nebenbei holte der Engel aus und verpasste sowohl Fritz als auch Ernst eine heftige Kopfnuss, „Liebe.“

Fritz bemühte sich, gute Gedanken zu haben. Er dachte an Tannenduft und gebrannte Mandeln, an strahlende Kinderaugen und Karpfen an Heiligabend. Karpfen. Grässlich. Er sah ja schon selbst so aus, wie ein dumm glotzender Scheißfisch aus der See oder dem Bodden oder wusste der Teufel woher. Er – Fritz, einst ein gestandener Seemann auf der stolzen „Kaiserin Augusta“. Und jetzt? Und warum das alles? Weihnachten. Dieses dämliche Fest war Schuld an der ganzen Misere.



                                                                            ***



„Weinachten ist nicht dämlich!“, protestierte Marie.

„Ist das meine Geschichte oder deine?“, gab Chris zurück.

„Aber so will ich das nicht! Engel sind Engel, und Leute, die kein Weihnachten mögen, sind …“, Marie zögerte und zog nachdenklich die Stirn in Falten.

„Na, was sind die?“, fragte Chris.

„Blöd“, bekundete Marie.

„Genau. Deswegen werden sie ja auch bestraft. Wie Fritz und Ernst.“

Eine Weile ließ Marie sich das durch den Kopf gehen. „Georg will dieses Jahr keinen Baum. Kein Weihnachtsessen. Überhaupt kein Weihnachten“, sagte sie schließlich langsam. Und vehementer: „Ich wollte, Mama hätte nie wieder geheiratet!“

Chris grinste schief, sagte aber nichts. Er konnte sehen, wie Marie anfing zu grübeln. Sie sah aus wie ein kleiner Engel, ihre langen blonden Haare waren frisch gewaschen und fielen ihr in Locken auf die Schultern, ihre blauen Augen blickten unschuldig.

„Aber“, fing sie schließlich zögernd an. „es ist nur eine Geschichte. Oder?“

Chris zuckte betont gleichgültig mit den Schultern. „Klar. Nur eine Geschickte.“

„Und wer hat Fritz und Ernst bestraft?“

„Na, die Engel. Die bestrafen alle, die nicht an Weihnachten glauben. Diese wirklich ignoranten Leute werden dann T.O.T.“

„Das würden Engel aber nicht tun“, widersprach Marie. „Es sei denn, es sind keine richtigen Engel.“

„Es reicht ja, wenn sie aussehen wie Engel. Wie du. Und würdest du nicht auch Leute bestrafen wollen, die vorhaben, Weihnachten ausfallen zu lassen?“, fragte Chris. Er ließ die Worte wirken, bis er sah, dass das, was er meinte, bei Marie angekommen war. Sie riss erschrocken die Augen auf, allerdings nur kurz.

„Wie denn?“, wisperte sie.

„Ich hätte da eine Idee – aber ich brauche dich dazu. Einen Engel eben …“



                                                                           ***



„Paul!“, protestierte Kassandra. „So geht das nicht!“

„Ist das meine Geschichte oder deine?“, gab Paul zurück und griente sie so fröhlich an wie der Engel den armen Fritz.

Es fiel Kassandra schwer, halbwegs ernst zu bleiben. „Aber ehrlich … Fischländer Kinder tun so was doch nicht. Und sie dann auch noch ausgerechnet Marie und Chris zu nennen.“

„Nicht gut?“ Paul grinste noch breiter als eben. „Ich dachte, das verleiht dem Ganzen eine besonders weihnachtliche Note.“

„Herr Hardenberg, Sie sollten aufhören, Thriller zu schreiben, das tut Ihnen nicht gut.“ Kassandra kicherte wenig weihnachtlich und nahm sich einen selbstgebackenen Zimtstern aus der Keksdose. „Die ‚Ostsee-Zeitung‘ wird das jedenfalls bestimmt nicht abdrucken.“

Jetzt lachte Paul. „Soll sie auch nicht. Das ist eine kleine Geschichte für meine Leser auf Google+. Bin sicher, die haben Humor!“



Habt einen schönen 3. Advent - und zündet heute noch drei Kerzen an. Sicherheitshalber. ;-)



Montag, 28. November 2016

Barnstorfer Details

Barnstorf fand ich schon immer wunderschön und habe hier ja auch schon das eine oder andere Mal Fotos davon gezeigt. Seit letztem Jahr hab ich aber meine ganz besondere Liebe zu diesem zauberhaften Wustrower Ortsteil entdeckt - und damit auch jede Menge Details, die es da zu bewundern gibt.

Wie gesagt: Barnstorf ist immer schön, auch im Nebel!


Das findet zweifellos auch unser liebenswerter Freund hier, der neugierig über das Gatter guckte:



Das Gatter hinter ihm - bei blauerem Himmel und Frost:



Und noch ein paar frostige Details, die mir über den Weg liefen:





Neugierig wie das Pony oben kann man sicher auch von hier aus sein und die vereinzelten Spaziergänger beobachten:



Den Weg weiter gibt's aber auch viel zu sehen.












Gegenüber dem Haus mit der Glocke, der "Alten Räucherei", führt ein Weg zu einem lauschigen Boddenstrand:


Dann geht's zurück, und diesmal gucken wir ein bisschen auf die andere Seite des Weges.





Wie überall auf dem Fischland gibt es auch in Barnstorf Türen, Tore und Fenster zu bewundern -
das Tor hier regt meine Fantasie besonders an:




Andere Türen führen aber tatsächlich in ein Haus:




Und was die Fenster betrifft - da lässt es sich schön in der Sonne dösen!



Aber natürlich verlassen wir Barnstorf nicht ohne ein paar typische Fischländer Kennzeichen:



 Liebe Grüße vom zauberhaften Dorf außerhalb eines Dorfes! :-)


Samstag, 15. Oktober 2016

Mit dem Zeesboot unterwegs



"Einst hatten die traditionsreichen Zeesboote mit den dunklen Segeln den Fischern auf dem Fischland und dem Darß ihren Lebensunterhalt garantiert. Mit den Flügelzeesen, besondere Schleppnetze aus Baumwolle, waren sie quer zum Wind gesegelt und hatten dabei das Netz hinter sich hergezogen. Heutzutage waren kaum noch Fischer auf dem Bodden unterwegs, die von diesem Beruf leben konnten. Die Zeesboote hingegen waren geblieben, auch wenn sie nun anders eingesetzt wurden." (aus "Fischland-Verrat")

Heute nämlich dürfen Urlauber darauf mitfahren. Und ich möchte Euch mitnehmen auf eine Zeesboot-Fahrt - ein einmaliges Erlebnis, besonders bei schönem Spätnachmittagslicht und mit einer kleinen Brise!

Noch nicht an Bord - aber schon mal Lust drauf kriegen!


Und dann - einsteigen, an den großen Segeln emporsehen, staunen ...



... und los geht's. Zuerst an Barnstorf vorbei.







Und dann sieht man auch schon die ganze Silhouette - Wustrow mit Barnstorf.




Der Wind frischt auf - toll, sich den um die Nase wehen zu lassen und Gischt im Gesicht zu spüren!








Zwischendurch bleibt genug Zeit, auf ein paar Details auf der "Bill" zu achten ...




... und noch mal die Segel zu bewundern!








Die Aussicht nicht zu vergessen!







Bis so langsam Wustrow wieder näher kommt.






Noch ein Blick auf die "Stinne", den dänischen Schoner, der 1965 vor Wustrows Küste havarierte und nun am Ufer des Boddens als Hotel-Schiff auf dem Trockenen liegt.




Und dann sind wir wieder im Hafen, die Segel werden eingeholt.




Solltet Ihr mal die Gelegenheit zu einer Zeesboot-Fahrt haben - ergreift sie!